Projektskizze

Die Wahrnehmung und Darstellung von Hermaphroditen im Mittelalter

Mein Dissertationsprojekt untersucht die unterschiedlichen Deutungsformen des Hermaphroditen zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert im westeuropäischen Raum. Seit der Antike bezeichnet der Begriff Hermaphrodit Menschen, die sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale aufweisen. Dabei besteht der Quellenkorpus aus medizinischen, naturphilosophischen, alchemistischen, kanonistischen sowie juristischen Quellen. Die Arbeit fragt danach, durch welche Mechanismen und Argumentationsstrukturen die geschlechtliche Uneindeutigkeit des Hermaphroditen in diesen verschiedenen Quellengattungen in bestehende soziale Ordnungsstrukturen eingegliedert wurde. Von der Ambiguitätseliminierung über die Ambiguitätsdomestizierung bis hin zur Ambiguitätstoleranz, lassen sich verschiedene Mechanismen für den Umgang mit Ambiguität ausmachen. Das Promotionsprojekt stellt heraus, wie sich diese Deutungsformen gegenseitig bedingen und an welchen Stellen dabei Synergien oder Konkurrenzen entstehen.

Chirurgisch-medizinische Quellen beziehen sich dabei besonders auf körperliche Aspekte nichtbinärer Menschen und versuchen diese Abweichungen in ihre Körper- und Geschlechtervorstellungen zu integrieren. Juristische und kanonistische Texte erkennen die Ambiguität des Hermaphroditen vorwiegend in seiner fehlenden Eindeutigkeit zwischen den Vorstellungen, die man heute unter Sex (biologisches Geschlecht) und Gender (soziales Geschlecht) versteht, und versuchen neue normative Wege zu finden, um diesen in ihre Rechtsvorstellungen zu integrieren. Hierbei stehen Fragen nach der rechtlichen Stellung, der Lehensfähigkeit oder der Ehe- und Weihefähigkeit im Fokus. Naturphilosophische Texte und damit eingeschlossen auch sogenannte Bestiarien schließen den Hermaphroditen, anders als die vorherigen Textformen, in die Gruppe der Wundervölker ein und versuchen so mithilfe des ambigen Körpers eine Grenze zwischen dem Menschlichen und dem Nichtmenschlichen zu ziehen. Auch die alchemistischen Quellen verstehen den Hermaphroditen nicht als ein Individuum, sondern als eine kollektive Figur, die das Konzept der Gegensätzlichkeit repräsentiert.

 

Zur Person

09/2024 - 12/2024: Gastwissenschaftlerin an der Facultad de Geografía e Historia an der Universitat de Valéncia

Seit 04/2024: Stipendiatin der Landesgraduiertenförderung Mecklenburg-Vorpommern

Seit 10/2023: Lehrbeauftragte am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte, Universität Rostock

2020 - 2023: Masterstudium der Fächer Geschichte, Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Rostock (Thema der Abschlussarbeit: Ambiguität der Geschlechter: Trans- und Intersexualität im Mittelalter)

2019 - 2023: Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Mittelalterliche Gesichte

2015 - 2020 Bachelorstudium der Fächer Geschichte und Soziologie an der Universität Rostock

Forschungsinteressen

  • Körper- und Geschlechtergeschichte
  • Medizingeschichte
  • Historische Kartographie

 

Lehrerfahrung

Übung: Reisen, Entdecken und Darstellen: Die Welt in mittelalterlichen Karten

Übung: Reisen im Mittelalter

Proseminar: Körperbilder und Geschlechterkonstruktionen im Mittealter

Tutorium: Einführung in die Mediävistik

Tutorium: Einführung in die Geschichtswissenschaft

Vorträge

Ambige Körper. Mittelalterliche Deutungsformen des Hermaphroditen (21.06.2024, Kolloquium der Norddeutschen Mediävistik, Universität Greifswald)

Mitgliedschaften

  • Mediävistenverband
  • Arbeitskreis Historische Frauen- und Geschlechterforschung e.V.
  • Arbeitskreis mediävistischer NachwuchswissenschaftlerInnen, Universität Rostock
  • Graduiertenakademie der Universität Rostock
  • Verein für Rostocker Geschichte e.V.