Projektskizze

Historische Erfahrung und politisches Handeln. Der deutsch-amerikanische Rabbiner Joachim Prinz (1902–1988) zwischen Deutschland und Amerika

Dr. David Jünger, Habilitationsprojekt

Am 28. August 1963 fand in der amerikanischen Hauptstadt der berühmte „March on Washington“ der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung statt. Herausragende Bedeutung erlangte dabei die ikonische „I have a Dream“-Rede Martin Luther Kings, hinter der in der historischen Rückschau die weiteren Ereignisse jenes Tages verblassen. So ist kaum bekannt, dass mit dem Rabbiner Joachim Prinz (1902–1988) eine der wichtigsten Stimmen des amerikanischen Judentums unmittelbar vor Kings Rede zu Wort gekommen war. Dabei repräsentierte insbesondere der in Deutschland geborene und 1937 nach Amerika emigrierte Prinz an jenem Tag die weitreichende Unterstützung, die der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung durch große Teile der jüdischen Gemeinschaft der Vereinigten Staaten zuteil wurde. In seiner Rede hob er hervor, dass er sich nicht nur als Jude aufgrund einer zweitausendjährigen Leidensgeschichte, sondern vor allem als Verfolgter des Nazi-Regimes persönlich verpflichtet fühle, gegen jede Form von Diskriminierung vorzugehen und nicht zu schweigen, wenn Unrecht geschehe. Es ist dieses sich aus der spezifisch jüdischen Erfahrung speisende Engagement im Civil Rights Movement, das paradigmatisch für die politischen Aktivitäten des Rabbiners Joachim Prinz nach 1945 steht, dessen Leben und Wirken im beantragten Forschungsprojekt rekonstruiert und dargestellt werden sollen.

War Prinz als zionistischer Rabbiner bereits eine der zentralen Persönlichkeiten des deutschen Judentums der 1930er Jahre, wurde er nach seiner Emigration in die Vereinigten Staaten von Amerika alsbald zu einem der wichtigsten Repräsentanten des amerikanischen Judentums und zu einem Unterstützer der Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King. Prinz war in den 1960er Jahren eine der bekanntesten und einflussreichsten jüdischen Persönlichkeiten Amerikas. Diese Bedeutung speiste sich nicht nur aus seinem Verhältnis zu Martin Luther King, sondernauch aus seinen vielfältigen Aktivitäten als politischer Rabbiner. Besonders seine hartnäckigen Verhandlungen mit Vertretern der deutschen Regierung über rechtliche und moralische Fragen der Vergangenheitsbewältigung, sein jahrzehntelanger Einsatz für eine Annäherung zwischen Israel und dem amerikanischen Judentum oder sein Ringen um den interreligiösen Dialog zwischen Judentum und Christentum haben ihn international bekannt gemacht.

Prinz‘ Biographie ist jedoch nicht allein als individuelles Porträt einer außergewöhnlichen Persönlichkeit bedeutsam, sondern auch und vor allem in Bezug auf eine transnationale jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts. Hierbei stehen Fragen des Kulturtransfers zwischen Deutschland, Amerika und Israel vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Vertreibungen im Zentrum. Insbesondere die prägenden Erfahrungen mit der Konfliktgeschichte der Weimarer Republik und schließlich der nationalsozialistischen Judenverfolgung waren tief in Prinz‘ späteres politisches Denken und Handeln eingeschrieben.