Aquatische Parasitologie

Die Problemstellung

Parasitismus ist die erfolgreichste Lebensform, die Anzahl parasitischer Organismen übersteigt die nicht-parasitischer, ihre Biomasse die großer Raubtiere. Parasiten verlinken diverse Organismen unterschiedlicher Trophiestufen (über ihre Zwischen- und Endwirte) im aquatischen System. Trotz ihrer Omnipräsenz werden Parasiten in Ökosystem-Studien vernachlässigt.

Grundlagenforschung bzgl. Arterfassung und Wirt-Parasiten Wechselwirkungen sind notwendig, vor allem in artenreichen und größtenteils unerforschten tropischen Gewässern.

Bedarf für weiterführende Forschung gibt es bzgl. des Schadpotenzials von Fischparasiten für ihre Fischwirte und den menschlichen Verbraucher (Stichwort Lebensmittelhygiene).

Ebenfalls besteht Bedarf, Fischparasiten-Arten als biologische Indikatoren, z.B. zur Erfassung des Fisch- oder Ökosystem-Gesundheitsstatus, heranziehen zu können.

Der Lösungsansatz

Über eine Reihe unterschiedlicher Methoden und Hardware sollen verschiedenste Ergebnisse erarbeitet werden, die die generellen und speziellen Fragestellungen der aquatischen Parasitologie abdecken. Hierzu werden von unserem Team weltweit Fischbestände auf deren Parasiten hin untersucht.

Für Indonesien konnte so eine Wirts-Parasit-Checkliste aller jemals nachgewiesenen Parasitenarten von Fischen erarbeitet werden. Neue Arten wurden und werden beschrieben, neue Wirts- und Gebietsnachweise erbracht. Einblicke in die Wechselwirkungen der Artenvielfalt konnten erarbeitet werden.

Selbiges gilt für Vietnam, den Golf von Oman und den Persischen Golf, in denen neue Arten beschrieben werden können und in deren Parasitengemeinschaften erstmals detaillierte Einblicke gegeben werden.

Auch europ. Süßgewässer sowie die Ostsee werden durch die Arbeitsgruppe beprobt und erstmals in dieser Form erfasst. Durch die Analyse der Komposition von Parasitengemeinschaften im jeweiligen Ökosystem können wertvolle Informationen über den Zustand der Fischbestände, wie deren Gefährdungslage und Abtrennung einzelner Bestände, sowie dere Lebensmittelsicherheit erreicht werden. Die Aktualität dieser klassischen fischereibiologischen Fragestellungen wurde durch die Nutzung der Parasiten zusätzlich gestärkt. Ausgewählte Arten werden zudem hinsichtlich ihrer Eignung zur biologischen Indikation untersucht, z.B. zum Nachweis von Umweltverschmutzung oder Klimawandel. Hierzu wird mit der Professur für Bodenkunde erstmal ein Verfahren entwickelt, bei dem Würmer auf akkumulierte Schadstoffe untersucht werden. Durch unsere Entwicklung einer neuartigen visuellen Darstellung, dem “Star-Graphen“, kann die biologische Indikation visualisiert und einem breiten Publikum verständlich aufgezeigt werden.

Durch Parasiten-(Neuart-)Beschreibungen, Gebiets- und Wirtsnachweise werden Ökologie und Zoogeographie entschlüsselt. Molekulargenetische Analysen zeigen Co-Evolution, z.B. mit Fischen, an. Schadparasiten werden erkannt und Methoden zum Management erarbeitet. Taxa mit Potenzial zur Bioindikation werden geprüft, Systeme können bzgl. ihres Nutzpotenzials oder Gesundheitsstatus bewertet werden.

Weltweite Kooperationen konkretisieren Lösungsansätze und Forschungsvorhaben. Wir informieren die Öffentlichkeit über Zoonosen (Krankheit durch Parasiten übertragbar von Mensch auf Tier), und wie diese durch Wahl harmloser Speisefische und korrekter Zubereitung vermeidbar sind.

Methodik

Neben fischparasitologischen Standardmethoden (Fisch-/Organ-Untersuchung, Parasiten-Fixierung, -Färbung, DIC-Licht-, Elektronen- und Konfokal-Mikroskopie, Zeichnung mittels Camera Lucida, Bilddokumentation, Vermessungen zur (Neu-)Artbestimmung), werden molekulargenetische Methoden (DNA Sequenz Analyse und Alignement, phylogenetische Stammbäume) genutzt.

Wildbestände (natürliche Biodiversität) und kommerzielle Aquakulturen aus nordeuropäischen Seen, der Ostsee, des Indo-Pazifiks (Vietnam, Indonesien), Hawaii, Moorea und weiteren Standorten werden durch unsere Arbeitsgruppe beprobt. Somit erfolgt ein Vergleich von unterschiedlichen Fischarten, Ökosystemen (belastet/unbelastet) und Hälterungsbedingungen (Aquakultur-Management) sowie eine Einschätzung der Gefahren von Parasiten für die jeweilige Umwelt.

Wir entwickeln Methoden, Parasiten als Bioindikatoren zu nutzen. Würmer werden mittels Pyrolyse-Feld Ionisation Massen-Spektrometrie molekular-chemisch auf Schadstoffe im Ökosystem untersucht, da sie diese 100-fach stärker akkumulieren als z.B. Fischwirte. Mittels des von uns weiterentwickelten „Star-Graphen“ können Ergebnisse visualisiert und fachfremden Entscheidungsträgern im Fischerei,- Aquakultur- und Tourismus-Sektor dargestellt werden.

Zur Nutzung von Fischparasiten als biologische Indikatoren werden potenzielle Taxa geprüft und bewertet. Hierbei kann Wirtstier-, Artengemeinschaft- und Ökosystem-Gesundheit (natürlich oder Zuchtanlage, Verschmutzung) auch über Langzeit-Veränderungen (Klimawandel) ermittelt werden.

Der Stargraph zur Darstellung der Umweltgesundheit ist seit seiner Normierung zur variablen Anwendung innerhalb aquatischer Ökosysteme bereit. Wir visualisierten unterschiedlich verschmutzte Standorte, z.B. den negativen Einfluss der Mega-City Jakarta auf das angeschlossene Küstenökosystem.

Weitere Studien zeigten, dass die Parasitenfauna von Zackenbarschen dazu genutzt werden kann, verschiedene Kultivierungsmethoden zu evaluieren, was eine weitere Einsatzmöglichkeit innerhalb des Fischzuchtanlagen-Managements darstellt.

Ausblick

Untersuchungen der Bakteriengemeinschaften stellen einen Schritt zur Gesundheitserfassung mariner Organismen dar. In einer marikulturrelevanten Studie wurden Parasiten- und Bakteriengemeinschaften freilebender und gehälterter Speisefischarten aus verschieden belasteten Gewässern analysiert. Mikrobiom-Analysen mariner Säuger stellen wissenschaftliches Neuland dar und bilden einen wichtigen Schritt zur Erfassung und Überwachung dieser Tiere ab, z.B. bei der Umsetzung der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL).