2-Gang-Getriebe für Elektrofahrzeuge

mit energieeffizienter lastschaltfähiger Schaltaktuatorik

Die Endlichkeit fossiler Energieressourcen bei steigendem Energiebedarf und die Erreichung der Klimaziele erfordern die Entwicklung und Verbreitung von alternativen Fahrzeugantriebssystemen. Elektrische Fahrzeugantriebe mit Mehrganggetrieben bieten Vorteile hinsichtlich der Energieeffizienz, Reichweite und Fahrdynamik, benötigen jedoch eine Lastschaltfähigkeit. Aufgrund der Forderung nach einer zugkraftunterbrechungsfreien Schaltung wird zumeist der Einsatz von Doppelkupplungsgetrieben oder stufenlosen Getrieben vorgeschlagen.

In der Literatur setzt sich bei Pkw das 2-Gang-Getriebe gegenüber Getrieben mit höherer Gangzahl oder stufenlosen Getrieben als bester Kompromiss zwischen Kosten und Nutzen durch. Die Angaben zu zumeist simulativ ermittelten Energieeinsparungen eines 2-Gang-Getriebes im Vergleich zum Einganggetriebe liegen für den Fahrzyklus NEFZ beispielsweise bei 3% bis 11,4% (Mittelklassefahrzeug) und für den WLTP bei ca. 2,4%. Eigene Untersuchungen zeigen Vorteile insbesondere bei höheren Fahrzeuggeschwindigkeiten. Bei einer Konstantfahrt mit 130 km/h sind Energieeinsparungen von 5% möglich, zudem verbessert sich die Höchstgeschwindigkeit. Auch im Bereich der Nutzfahrzeuge finden 2-Gang-Getriebe Anwendung aufgrund der Wirkungsgrad- und Fahrdynamikvorteile. Jedoch sind die Energiebedarfe der Schaltaktuatorik und der Schaltelemente zu minimieren.

Die Abbildung 1 zeigt das Konzept eines lastschaltfähigen 2-Gang-Getriebes. Als Schaltelemente dienen zwei hydraulisch aktuierte nasslaufende Lamellenkupplungen. Die Kupplung K1 schaltet den ersten Gang G1, während die Kupplung K2 den zweiten Gang G2 betätigt. Das Schließen erfolgt durch einen hydraulischen Betätigungsdruck, das Öffnen mittels Kolbenrückstellfeder.

Abbildung 1 - Konzept des lastschaltfähigen 2-Gang-Getriebes mit Lamellenkupplungen
Abbildung 2 - Druckverlauf bei abgeschlossener Lamellenkupplung

Die Abbildung 1 zeigt zudem das Funktionsprinzip der neuartigen, energieeffizienten Schaltaktuatorik, die sich an die Patentschrift DE 10 2020 127 947 B3 anlehnt. Bei geschlossener Kupplung K1 ist der erste Gang G1 geschaltet. Der Betätigungsdruck wird mit Hilfe eines konzentrisch zur Welle angeordneten elektromagnetischen Absperrventils in der Kupplung gehalten.

Vorversuche in Abbildung 2 zeigen, dass bereits bei nicht optimierten Serien-Kupplungen aus Pkw-Doppel­kupplungsgetrieben der Betätigungsdruck so über mehrere 10 Minuten aufrechterhalten wird. Es zeigt sich ein nur geringer Druckabfall über der Zeit. Für diesen Zeitraum ist kein Systemdruck erforderlich, d. h. eine Pumpe kann abgeschaltet werden. Zudem kann eine zwischen Gehäuse und drehender Welle erforderliche Drehdurchführung drucklos betrieben werden. Da Druck und Leckage nur kurzzeitig während Schaltungen oder dem zyklischen Wiederaufbau des Betätigungsdrucks („Wiederbefüllen“) auftreten, lassen sich berührungslose Dichtungen an der Drehdurchführung nutzen, die nahezu keine Reibung aufweisen. Lediglich das elektromagnetische Absperrventil muss bestromt werden. Erste Versuche zeigen unter Laborbedingungen einen elektrischen Leistungsbedarf von kleiner 20 W.

Bei konventionellen Ansätzen in Doppelkupplungsgetrieben dagegen sind die Verlustleistungen wesentlich höher. Infolge von Dichtungsreibung eines unter Druck stehenden Drehdurchführung entstehen Verlustmomente in der Größenordnung von 0.5-1.0 Nm. Damit ergeben sich beispielsweise Verlustleistungen im Bereich von 250-500 W bei Drehzahlen von 5000 U/min. Für die meist dauerhaft betriebene Pumpe sind in der Literatur Leistungen von circa 500 W angegeben.

Abbildung 3 - Hydraulische Ansteuerung der Lamellenkupplungen mittels 5/3-Wegeventil
Abbildung 4 - Testaufbau zur hydraulischen Ansteuerung der Lamellenkupplungen

Die Abbildung 3 zeigt beispielhaft eine hydraulische Ansteuerung für beide Kupplungen mit einem 5/3-Wegeventil, welches die Funktion des Absperrventils aus Abbildung 1 übernimmt. Der Ventilschieber lässt sich in beide Richtungen axial bewegen und kann in der linken Stellung den Betätigungsdruck der ersten Kupplung K1 und in der rechten Ventilstellung den Betätigungsdruck der zweiten Kupplung K2 halten, ohne dass die Pumpe betrieben werden muss. Die in Abbildung 3 dargestellte Mittelstellung dient dem „Wiederbefüllen“ sowie für Lastschaltungen. Mittels einer elektrisch angetriebenen Pumpe und über die beiden Druckregelventile (DRV K1,DRV K2) lassen sich beide Kupplungen unabhängig voneinander ansteuern, was einem hohen Schaltkomfort dient.

Ziel ist die Entwicklung von Prototypen des 5/3-Wegeventils sowie der reibungsarmen Drehdurchführungen. Es ist eine übergeordnete Steuerung zur Koordination des Schaltablaufes und zur Ansteuerung der Schaltaktuatorik zu entwerfen und in einem echtzeitfähigen Steuerungssystem umzusetzen. An einem Funktionsprüfstand soll die Schaltaktuatorik dann gegen die Entwicklungsvorgaben getestet und optimiert werden. Danach ist die Umsetzung eines 2-Gang-Getriebes geplant, das in einen vorhandenen Antriebsstrangprüfstand integriert wird.

Die Abbildung 4 zeigt einen Testaufbau zum grundlegenden Funktionsnachweis an einem nichtdrehenden System. Der Testaufbau dient der Ermittlung von Parametern sowie von Energiebedarfen für Simulationen und Optimierungen. Betrachtet werden beispielweise das Absperrventil, die Pumpe und die Druckregelventile. Zudem werden Steuerungsalgorithmen am Testaufbau erprobt.

Weitere Untersuchungen betreffen die Minimierung von Schleppmomenten bei geöffneten nasslaufenden Lamellenkupplungen. Zur Verbesserung der Energieeffizienz sind beispielsweise Maßnahmen gegen das typischerweise bei hohen Drehzahlen auftretende Lamellentaumeln geplant.